Eine meiner großen Leidenschaften ist das Reisen, genauer: das Planen von Reisen. Wer mich kennt oder schon mal mit mir unterwegs war, weiß, dass ich meist mit diversen Exceltabellen und selbstzusammengestellten Stadtführungen ausgestattet bin.
Wenn eine neue Reise gebucht ist, gibt es für mich nichts Schöneres als in einer großen Buchhandlung die Reiseführer zu durchstöbern. Obwohl ich als Digital Nativin E-Books eigentlich bevorzuge, mache ich bei Reiseführern meist eine Ausnahme.

Die Vorteile der Druckausgabe liegen auf der Hand: Man kann schnell durchblättern, wenn man etwas sucht, oft gibt es zusätzlich eine Karte, die unterwegs hilfreich ist und man muss sich keine Gedanken um einen leeren Akku machen.
Aber seitdem Internetportale wie TripAdvisor sich wachsender Beliebtheit erfreuen, es zu jedem noch so abgelegenen Ort ein Forum mit den Erfahrungen anderer Reisender gibt und man mit dem Smartphone auch unterwegs jederzeit auf aktuelle Infos zugreifen kann, stehen die Reiseführerverlage vor zwei großen Problemen:
- Aktualität (Stimmen Preise und Öffnungszeiten der Sehenswürdigkeiten, Restaurants und Hotels noch?)
- Bewertung (Wie viel ist die Meinung eines einzelnen Autors wert im Vergleich zur Intelligenz der Massen?)
Vor ein paar Tagen habe ich zu diesem Thema einen Artikel auf boersenblatt.net gelesen und in den nächsten Wochen sollen hier in einer dreiteiligen Serie die Aktivitäten der großen deutschen Reisebuchverlage im Digitalbereich beleuchtet werden. Den Anfang machen heute E-Books, danach möchte ich mir noch die Online-Plattformen (Teil 2) und Apps (Teil 3) anschauen.
Stichprobe in Online-Shops – Licht und Schatten
Welche Verlage bieten neben der gedruckten Ausgabe auch E-Books an? Und in welchem Format? Um zu einer ersten Einschätzung zu gelangen, habe ich bei Amazon und Thalia zunächst nach einem Städteführer für Barcelona und einem Länderguide für Kanada gesucht (die Auswahl erfolgte aus subjektiven Gründen: Barca ist meine Lieblingsstadt in Europa, Kanada mein nächstes Langstrecken-Reiseziel).
Das Ergebnis hat mich schon sehr erstaunt: Von den 18 Marken, zu denen ich gedruckte Reiseführer über Barcelona gefunden habe, gibt es nur 10 auch als E-Book, davon zwei lediglich als PDF. Bei Kanada ist die Lage noch schlechter: Nur 7 von 13 Verlagen haben zusätzlich das E-Book im Angebot und nur 4 Titel liegen überhaupt im Epub/Mobi-Format vor, sodass man sie komfortabel auf E-Reader/Tablet/Smartphone nutzen kann.
Es gibt aber auch Erfreuliches: das durchschnittliche Preisniveau liegt deutlich unter dem der gedruckten Ausgaben. Bei Reise Know-how kostet zum Beispiel die Print-Ausgabe von „Kanada – der Westen“ 25 €, das passende E-Book nur 16,99 €. Ich vermute mal, dass die vergleichsweise hohen Abschläge für die E-Book-Ausgaben aus fehlendem Nutzwert resultieren, zum Beispiel ist im E-Book ja keine separate Landkarte dabei.

Was mir sonst noch aufgefallen ist:
- großes Angebot an Selfpublishing-Titeln bei Amazon (entweder als Reisebericht oder Tipps von anderen Touristen)
- Entkoppelung von Inhalten: Sowohl Marco Polo (Marco Polo Kompakt) als auch Merian (Spaziergänge) bieten einzelne Inhalte aus dem kompletten Reiseführer zu vergünstigten Preisen an.
- E-Book inklusive: Merian bewirbt bei einigen Ausgaben auf dem Cover, dass das E-Book beim Kauf der Printausgabe mit dabei ist. Komischerweise wurde mir dieses Cover allerdings nur beim E-Book, nicht beim Taschenbuch angezeigt.
Zwischenbilanz: Das PDF regiert die (Reiseführer-)Welt
Im nächsten Schritt habe ich mir das E-Book-Angebot der großen Reisebuch-Marken aus der Stichprobe etwas genauer angesehen. Die meisten haben auf ihrer eigenen Seite einen Shop eingebunden, sodass man einen guten Überblick über das Gesamtangebot bekommt.
Es sei noch darauf hingewiesen, dass es neben den wenigen unabhängigen Reisebuch-Verlagen zwei große Unternehmen gibt, zu denen etliche bekannte Marken gehören. Das sind Mair DuMont (Lonely Plant Deutschland, Marco Polo, Baedeker, DuMont, Loose) und Travel House Media (Michael Müller, Merian, Polyglott, ADAC).
Lonely Planet: Ich bin ein Fan des englischen Shops, denn dort kann man auch nur einzelne Kapitel kaufen (wenn man beispielsweise bei einem Länderguide nur eine bestimmte Region bereist). Außerdem gibt es aufgrund der fehlenden Preisbindung viele Aktionen, bei denen man die E-Books sehr günstig erhält (und die englische Ausgabe ist in der Regel einen Ticken aktueller, weil es natürlich Zeit braucht, bis der Reiseführer auf Deutsch übersetzt ist).
Aber ich schweife ab, denn hier soll es um den deutschen Shop gehen. Das Angebot ist mit mehr als 180 E-Books umfangreich, allerdings kommt gleich ein Haken: nur zwei Titel gibt es als Epub/Mobi, alle anderen liegen im PDF-Format vor (ich vermute mal: Man hat es sich einfach gemacht und das PDF der Druckausgabe verwendet).
Ich persönlich habe nichts gegen diese PDF-Reiseführer, weil sie zur Vorbereitung am PC gut nutzbar sind, man kann auch mal ein paar Seiten audrucken (falls die Rechte vom Verlag nicht eingeschränkt wurden) und mit meinem Sony Reader ist sogar die Darstellung auf einem kleinen Bildschirm ganz passabel, aber das Gelbe vom Ei ist es aus Sicht der meisten Nutzer nicht.
Marco Polo: Besser sieht die Situation bei der Schwestermarke Marco Polo aus. Hier gibt es mehr als 250 E-Books und die meisten davon sowohl als Epub als auch als PDF. Als Extras im E-Book werden im Shop erwähnt: direkt anklickbare, Weblinks, Offline-Karten mit Zoomfunktion, Google-Maps-Einbindung zur Routenplanung. Das Angebot überzeugt!
Baedeker: Die in meinen Augen traditionellste Reiseführer-Marke mit Fokus auf Kunst & Kultur gehört wie nicht anders erwartet auch im Digitalen nicht zu den First-Movern. Nur gut 100 E-Books liegen bisher vor, davon die meisten ausschließlich in PDF-Form.
DuMont: Insgesamt sind im Online-Shop des Verlags 400 gedruckte Reiseführer zur Verfügung. Mit knapp 200 E-Books wäre das digitale Angebot eigentlich ganz ordentlich, aber zum Einen sind es wieder nur wenige Epubs (21) und zum anderen gehören fast 100 dieser E-Books zur DuMont-Bildatlanten-Reihe, die als Zeitschrift in Kiosken verkauft wird.
Stefan Loose: Der deutsche Anbieter für Individualreisende bietet leider nur ein begrenztes Angebot an E-Books: 26 PDFs, 25 Epubs (teilweise gibt es Überschneidungen, wenn Titel in beiden Formaten vorliegen). Perspektivisch scheint auch nicht viel zu passieren, denn schon vor 3 Jahren habe ich dort einen Epub-Reiseführer zu Thailand gekauft. Damit war ich ziemlich zufrieden, nur manchmal hat der Seitenwechsel bei umfangreichem Kartenmaterial gestreikt. Dank selbst angelegter Lesezeichen war auch die Navigation im Führer sehr unkompliziert.
Interessant fand ich bei meiner heutigen Recherche allerdings, dass der inhaltlich identische PDF-Reiseführer im Beispiel Thailand mehr kostet als das Epub (26,99 anstatt 20,99 €).
Iwanowski: Einer der letzten unabhängigen Reisebuchverlage hat etwas mehr als die Hälfte seines Programms digitalisiert: immerhin 53 E-Books und alle im Epub-Format. Im Online-Shop wird darauf hingewiesen, dass das E-Book für das iPad optimiert wurde und nicht alle Zusatzfunktion (Zoom bei Bildern und Karten, Verlinkungen) nicht auf allen Geräten funktionieren.
Reise Know-how: Hier habe ich das größte Angebot an E-Book-Reiseführern (ohne Sprachführer und Hörbücher) gefunden: etwa 300 Titel, allerdings bisher alle nur als PDFs.
Nelles: Bei diesem Verlag, der in Deutschland zu den eher unbekannteren zählt, gibt es 126 E-Books, alle als PDF. Positiv herzuheben ist die E-Only-Reihee Nelles Pocket, die Reiseziele für 4,99 € auf 96 Seiten in Kürze vorstellt.
Interessant finde ich auch den Ansatz, Kompaktführer (15-25 Seiten) kostenlos zum Download gegen eine Registrierung (also bezahlt man eigentlich mit seinen persönlichen Daten) anzubieten. Dadurch werden die Leser erstmal angefüttert und vielleicht kaufen sie doch noch die ausführlichere Ausgabe – so ist zumindest das Kalkül des Verlags.
Michael Müller: Der einzige Verlag von Travel House Media, bei dem ich im Online-Shop E-Books finden konnte. Davon gibt es bisher 100, die alle im Epub/Mobi-Format vorliegen.
Wie gesagt zu Merian, Polyglott und ADAC (alle Travel House Media) habe ich nichts gefunden. da es bei diesen Verlagen aber auch bei meiner Stichprobe in den Online-Shops Fehlanzeige hieß, gehe ich davon aus, dass es bisher keine Ambitionen im E-Book-Geschäft gibt.
Dasselbe gilt für National Geographic und Dorling Kindersley (wobei von DK einige Titel als Pilotprojekte bei iBooks verfügbar sind, guckst du hier).
Fazit: Viel Luft nach oben
Mein Eindruck ist, dass die Verlage seit 2012, als ich mich das erste Mal intensiver mit digitalen Reiseführern beschäftigt habe, nicht viel im E-Book-Bereich entwickelt haben. Das Angebot ist nach wie vor begrenzt und liegt vor allem im statischen PDF-Format vor, was es schwierig macht, die E-Books auf mobilen Endgeräten zu nutzen.
Allerdings bedeutet die Gestaltung eines „guten“ Epubs für die Reisebuchverlage einen erheblichen Mehraufwand (ein komplett neues Design, Einbindung von Zusatzfunktionen, die von den Nutzern erwartet werden), vor allem wenn man es mit der Herstellung eines Romans vergleicht.
Positiv fallen allerdings einige Experimente auf, wie das Entkoppeln von Inhalten oder vergünstigte Kompaktausgaben. Vor allem die Konzernverlage zeigen sich sehr zurückhaltend, während die Indies eher mal etwas ausprobieren.
Dazu eine Vermutung, die ich mit den weiteren Teilen dieser Serie in nächster Zeit überprüfen möchte: E-Books sind für Reiseführerverlage nicht attraktiv genug (zu viel Aufwand, zu wenig Interesse seitens der Kunden), deshalb wird sich im Digitalen auf andere Strategien (Online-Updates, Community gestalten, Apps) fokussiert.
Ich bin gespannt!