Als ich Dienstagvormittag neugierig das erste Mal auf die neue Website der Süddeutschen Zeitung surfte, bin ich erstmal von dem riesen BMW-Werbebanner erschlagen worden, der die sonst sehr zurückgenommene mit viel Weißraum ausgestattete Seite gar nicht richtig zur Geltung kommen ließ.
Heute bei meiner intensiveren Analyse war das schon deutlich angenehmer: Kein Banner weit und breit auf der Startseite, die sich mit einer großen Mittelspalte, in der die Artikel in verschiedenen Ressorts angeteasert werden, und einer rechten Randspalter für Ticker und dergleichen, sehr aufgeräumt präsentiert.
Ganz oben unter dem Logo wird auf die drei verschiedenen Inhalte-Produzenten des Unternehmens verwiesen: der Online-Auftritt sz.de, Zeitung (in dem nun das neue SZ-Plus-Angebot gebündelt wird) und Magazin (einer eigenen Seite für die Inhalte des SZ-Magazin, die optisch etwas lockerer erscheint).
Darunter ist die Leiste mit den üblichen Ressorts, die auch weiter unten auf der Startseite, allerdings in anderer Reihenfolge, nochmal angezeigt werden. (Warum im Bayern-Ressort explizit auf München hingewiesen muss, sollte man wohl als Nicht-Bayer besser nicht hinterfragen.)
4547 Leser lesen aktuell
Ein Top-Thema mit optischem Aufmacher (heute natürlich der tragische Absturz der German-Wings-Maschine) bildet den inhaltlichen Einstieg. Interessant finde ich die unterschiedlich großen Kreise mit Zahlen, die links oben neben den Artikeln des Top-Themas stehen. Sie zeigen an, wie viele Leser gerade den jeweiligen Artikel lesen und tatsächlich verändern sich diese Zahlen während meines Besuchs mehrmals.
Die Lesereinbindung war ohnehin ein wichtiger Punkt beim SZ-Relaunch, denn weiter unten auf der Seite gibt es einen Kasten, in dem auf Artikelempfehlungen der Leser und die Artikel hingewiesen wird, die gerade aktuell gelesen werden. Für die Statistik-Fans natürlich immer mit den absoluten Zahlenangaben.
Während man der Empfehlungskompetenz der SZ-Leser offenbar sehr viel zutraut, setzt man nicht allzu viel Vertrauen in deren Kommentarfähigkeit (oder in die Kompetenz der Redaktion diese zu pflegen und zu moderieren). In der Vergangenheit ist darüber schon viel diskutiert worden, aber schon seit September 2014 gibt es unter den SZ-Artikeln keine Kommentarfunktion mehr, sondern nur der Verweis auf den rivva-Debattenmonitor (den man aber auch erstmal mit der Lupe suchen muss), der alle Kommentare zu einem Artikel auf Facebook/Twitter auf einer separaten Seite sammelt. Ein innovativer Ansatz, der aber alle Leser ausschließt, die nicht in den Sozialen Netzwerken aktiv sind. Ob sich das so gut mit der tollen neuen Lesereinbindung vereinbaren lässt?
Um beim Leser auch keinen Zweifel aufkommen zu lassen, was für eine Art von Artikel er da gerade liest, sind einige Artikel (vor allem im unteren Part der Seite in den Ressorts) mit einem Hinweis auf ihre journalistische Darstellungsform gekennzeichnet, also beispielsweise Analyse, Porträt, Kolumne, Interview. Prinzipiell keine schlechte Idee – vor allem beim schnellen Scannen von Headlines, die oft unterhaltsam aber nicht immer aufschlussreich sind für die heutigen Info-Junkies, die keine Zeit zum Lesen haben.
Viel Weißraum mit Grüßen von Windows
Unterbrochen wird die Aufteilung in zwei Spalten von verschiedenen Stoppern. Der erste verweist unter dem Titel „Das Beste aus der Zeitung“ mit viel Bild und Animation auf die Inhalte, die sich hinter der Paywall SZ Plus verstecken.
Noch bildlastigere präsentiert sich der Stopper, der auf die locker-leichten Unterhaltungsinhalte aus dem Magazin, verschiedenen Kolumnen und von jetzt.de verweist. Allerdings fühle ich mich bei den unterschiedlich großen, nicht immer zueinanderpassenden Kästen wahlweise an Tetris oder an das nicht mehr ganz taufrische neue Windows-Design erinnert.

Insgesamt gefällt mir das kastige Design, das die einzelnen Elemente durch eine zurückgenommene graue Linie voneinander abgrenzt, sehr gut. Auch der viele Weißraum tut sein Übriges dazu, dass man sich mehr auf die Inhalte konzentriert. Außer, wenn er dann doch wieder durch zu viel blinkende Banner eingenommen wird, wie das beim Lesen einiger Artikel heute der Fall war. Dann stört die Werbung sogar noch mehr als auf überfrachteten Nachrichtenseiten – vielleicht weil der Kontrast so sehr auffällt. Das war zumindest mein Eindruck.
Ein weiterer Nachteil des vielen Weißraums bzw. der Fokussierung auf 1-2 Spalten ist, dass man ewig braucht bis man ans Ende der Seite gescrollt hat. Aber vielleicht soll man da ja auch nicht hin, wo die Redaktion die Tests, Spiele und das Bild des Tages versteckt hat – ich hab zumindest jetzt ein wenig Muskelkater im Finger vom vielen Scrollen.
Das neue Geschäftsmodell: SZ Plus
Kommen wir zurück zur wichtigsten Neuerung dieses Relaunchs, nämlich der Einbindung von Paid Content unter dem Namen SZ Plus (die Verbindung zum ähnlich betitelten Angebot eines großen deutschen Boulevardblatts ist wohl keinesfalls gewollt). Bei meiner ersten Stipvisite am Dienstag habe ich mir direkt die Erklärseite zu dem neuen Angebot angesehen, das wohl vor allem eins will: Transparenz schaffen und mit dem Angebote-Wirrwarr im Digitalbereich aufräumen.
Bei mir hinterließen die Infos zu SZ Plus, die in erster Linie als Video und Bildergalerie vermittelt werden, aber einige Fragezeichen (vor allem zu den Preisen), weshalb ich mich heute nochmal intensiver damit auseinandergesetzt habe.
Also SZ Plus ist ein Zusatzangebot für die Online-Nutzer von sz.de. Sie erhalten nämlich gegen Bezahlung Zugriff auf alle Artikel aller gedruckten Ausgaben (also Süddeutsche Zeitung, Magazin und der Sportbeilage) und das sowohl im Browser als auch in allen Apps, zusätzlich gibt es das E-Paper und das Ganze bereits am Vorabend des Erscheinens und inkl. einer Aktualisierung um 23 Uhr.

Man bekommt also verdammt viel (ob man das als durchschnittlicher Mensch, der noch etwas anderes zu tun hat, als SZ Plus zu lesen, auch wirklich ausnutzt, ist eine andere Frage) und das auch zu flexiblen Zahlungskonditionen:
Abonnenten der gedruckten Ausgabe können SZ Plus gegen einen Aufpreis von 7,50 € dazubuchen. Außerdem gibt es noch ein ganz interessantes Angebot für Leser, die sich zwischen Print und Digital nicht entscheiden können: Man erhält täglich die digitale Ausgabe und Freitag + Samstag zusätzlich die gedruckte. Allerdings kostet dieses Angebot mit 40,90 € doppelt so viel wie die rein digitale Ausgabe. Ob es wirklich so viele Leute gibt, die am Wochenende Gedrucktes bevorzugen?
Noch absurder wird es allerdings für E-Paper-Abonnenten, die bezahlen bisher 28,99 €/Monat und haben jetzt für 1 € zusätzlich die Möglichkeit das SZ Plus-Angebot mitzunutzen. Sparfüchse, die oben aufgepasst haben, werden dagegen eher ihr E-Paper-Abo kündigen und stattdessen zum Jahrespass von SZ Plus wechseln, da bekommen sie für weniger Geld nämlich mehr Leistung. Sieht also so aus, als ob das einzelne E-Paper-Abo ein Auslaufmodell bei der SZ wird.
Fazit: Optisch nett, die Paywall bleibt ein Mäuerchen
Bei meinem Rundgang über die Seite sind mir nur wenige SZ Plus-Inhalte aufgefallen, die sich hinter der Paywall verstecken. Die meisten Artikel sind also nach wie vor ohne Bezahlung lesbar. Meiner Meinung nach will man nicht unbedingt den typischen Online-Leser zum Bezahlen bringen, sondern eher bisherige Leser der gedruckten SZ (die vielleicht gekündigt haben?) mit diesem neuen Angebot eine Möglichkeit bieten, die Inhalte der gedruckten Zeitung auf anderem Weg zu konsumieren.
Den All-in-One-Ansatz finde ich gut, auch die optische Umgestaltung der Seite gefällt mir, aber ob sich wirklich so viele Leute von dem Angebot überzeugen lassen, dass sich damit auf lange Sicht im Digitalen Geld verdienen lässt?